Peter Raneburger

Der Künstler führt uns an die existenziellen Grenzen und Grenzerfahrungen. Tod, Fäulnis, Leid, Verletzung, Aggression, ja selbst den Anus (flower) als Grenze des Körpers thematisiert Raneburger drängend und aufdringlich, aber auch die Preziose der Schwangerschaft und der Geburt. So sehr die christliche Bilderwelt seine Werke erfüllt, so sehr müssen wir bei seinem Umgang mit den kodifizierten oder kanonisierten Darstellungen Vorsicht walten lassen.

Peter Raneburger balanciert auf einem schmalen Grat, der in den europäischen Bildtraditionen insbesondere des Religiösen verwurzelt ist und Festigkeit zu verbürgen scheint. Bewusst riskiert er den Absturz, indem er Elemente in sein visuelles Konzert einbringt, die gezielten Ruhestörungen gleichkommen. Bei den Interpretationen seiner Werke haben diese schwierigen Linien, entweder als Spuren, denen zu folgen ist, oder als Demarkation, die zu überwinden ist, Vorrang. Dort, wo religiöse Elemente mit politischen Implikationen zusammentreffen, ergeben sich gefährliche Zonen. Fatale Sprachen, fatale Bilder.

Die Ateliersituation spiegelt bisweilen diese durchlässige Farbabstinenz. Künstlerfreund Paul Renner schreibt am 19.1. 2002 in Erinnerung an einen Besuch: „Papierbogen, Tusche, Kreide, weiße Farbe und schwarze Stifte, Glas und Aluminium, haufenweise Eisschranktüren, ansonsten keine weiteren Farben…Was Peter beobachtet und beschäftigt, nehme ich anhand der Fakten, die das Atelier bestimmen wahr…Wahrnehmung als eine Reise durch den schizo-geografischen Raum, eine geheime Kulturgeschichte, eine neue Vermessung des menschlichen Körpers, kopulierende Bilder“.¹

Eine weitere Herkunft der Schwarz–Weiss–Ästhetik mag wohl von der Versenkung in Schriftwelten ableitbar sein. Er liest euphorisch. Die Zeitungsstöße im Atelier sind nur äußerer Ausdruck einer sinnlich, intellektuellen Auseinandersetzung, die sich auch in seinem Philosophiestudium an der Theologie in Innsbruck niederschlägt. Raneburger zieht sich zwar in Matrei in Osttirol zurück, aber gleichzeitig öffnet er sich über die Medien. Das Inkorporieren von politisch relevanten Persönlichkeiten beziehungsweise von Opfern und Tätern bei schwerwiegenden Auseinandersetzungen überall auf der Welt ist signifikant in seinem OEuvre. Provokant kombiniert er geladene und überladene Symbole. Der drängende Körperbezug ist evident – begleitet vom Gefühl freiliegender Nerven. Indem Raneburger immer wieder ganz bewusst heikle Themen aufnimmt, indem Sexualität, Körperintensität, politische Abgründe, Aggression und Gewalt direkt oder indirekt in seine Werke einfließen, drängt er die Betrachtenden in einen Prozess der Auseinandersetzung, der zu Widerspruch und Beipflichtung reizt, aufreizt, ärgert, zu Ekel veranlasst, zu Einfühlung verführt, zu Ablehnung aufheizt, Mitleid erregt, religiöse Fragen auf ihren Ursprung zurückführt und letztlich nie unbeteiligt zurücklässt.

In Anlehnung an Cioran² könnte man sich fragen, ob Raneburger eine Grundlinie verfolgt: Ein Bild muss Wunden aufwühlen, sogar welche verursachen. Ein Bild muss eine Gefahr sein.

1 Ebenda, S. 11; zu einem gemeinsamen Projekt der beiden Künstler: Raneburger Peter Leere füllt Paul Renner – voll in die Leere, St. Nikolauskirche – Matrei/Osttirol, Bruneck 1996.

2 E.[mile] M. Cioran, Gevierteilt, Frankfurt a.M. 1982, S. 67.